Das Potenzial von Nanofasern für die Gewebezucht – Träger, die die Architektur menschlichen Gewebes nachahmen!

26.03.2023

 

Die regenerative Medizin ist eines der sich am dynamischsten entwickelnden medizinischen Fachgebiete. Ihr Hauptziel ist es, die Erneuerung von erkranktem und geschädigtem menschlichem Gewebe zu unterstützen. Die Herstellung von Gewebe- und Organersätzen hängt von der Struktur der Trägermaterialien (sog. Scaffolds) ab, die spezifische Bedingungen für das richtige Zellwachstum und die Bildung eines ganzen Gewebes bereitstellen.

 

Die Architektur und das Potenzial dieser Träger haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Die Scaffolds wurden aus Metall, Kollagen, Polyesterschaum und Hydrogel hergestellt. Die bei weitem besten Ergebnisse werden jedoch mit Nanofasern erzielt, insbesondere mit solchen, die durch das sog. elektrostatische Spinnverfahren hergestellt werden.

 

Was sind die Vorteile dieser Nanofasern?

  1. Sie ahmen die Struktur der natürlichen extrazellulären Matrix nach, in der die Zellen natürlich haften.
  2. Sie haben einen kleinen Durchmesser, der genau der Größe der extrazellulären Matrix entspricht, was sie ideal für die Anheftung, die Proliferation zur Gewebeerneuerung und die Zelldifferenzierung macht, d. h. für die Entstehung funktionell und strukturell spezialisierter Zellen.
  3. Darüber hinaus können sie als Transportmittel für bioaktive Faktoren dienen, d. h. Wachstumsfaktoren und Hormone kontrolliert transportieren, damit das „künstliche Gewebe“ richtig wächst.
  4. Die Bestandteile der Scaffolds sind bioaktiv (sie ermöglichen die kontrollierte Freisetzung von Biomolekülen entsprechend dem Zeitrahmen der Geweberegeneration) und biologisch abbaubar (sie werden vom umgebenden Gewebe absorbiert, ohne die Notwendigkeit einer chirurgischen Entfernung und ohne das Risiko, neues Gewebe zu schädigen).

 

Polymer‑Nanofasern werden in vielen Bereichen der Gewebezüchtung verwendet, da sie anpassungsfähig und strukturell vielfältig sind. Für das oben erwähnte elektrostatische Spinnverfahren können zum Beispiel sowohl das klassische, koaxiale oder alternierende Spinnverfahren als auch die Technologie für die Erspinnung vom freien Spiegel Nanospider™ verwendet werden.  Die Modifikation der Spinndüse ermöglicht die Herstellung von Fasern mit einzigartiger Struktur und einzigartigen Eigenschaften. Die Nanofasern können dann eine beliebige Porosität aufweisen, die von der Art des Materials, der Verdunstungsgeschwindigkeit und der Mischbarkeit der verwendeten Lösungsmittel abhängt. Dies eröffnet die Möglichkeit, z. B. Verbundfasern in Scaffolds zu schaffen, die den Zellen die entsprechenden Biomoleküle zuführen und die implantierten Zellen mechanisch stützen können, selbst wenn das System versagt.

 

Einsatz von Nanofasern in spezifischen Teilbereichen der Gewebezüchtung

Obwohl Wissenschaftler das Potenzial von Nanofasern in verschiedenen Bereichen der Gewebezüchtung, einschließlich der Züchtung ganzer Organe, erforschen, werden Muskeln und Knochen immer noch am besten erforscht. Die regenerative Medizin konzentriert sich am meisten auf die Förderung der Erneuerung von:

  • Knochengeweben,
  • Haut,
  • Muskulatur und
  • Knorpeln.

 

Interessante Tatsache: Das Züchten einer ganzen Niere oder Leber ist äußerst schwierig. Diese Organe stellen die höchste Stufe der Komplexität dar. Um eine Niere züchten zu können, müssen die Wissenschaftler zunächst ein Gerüst (Scaffold) bauen, es mit Stammzellen füllen und diese mithilfe komplexer Signale dazu veranlassen, sich in Blutgefäßzellen umzuwandeln.

 

Potenzial von Nanofasern für die Architektur von Knochengewebe

Das Design eines Trägers für das Wachstum von Knochengewebe basiert auf den physikalischen Eigenschaften des Knochens, d. h. Festigkeit, Porosität, Härte und 3D‑Gesamtstruktur. Mesenchymale Stammzellen (MSC) sind in der Lage, geschädigtes Gewebe zu regenerien, indem sie sich in ein breites Spektrum spezialisierter Zellen, wie Chondrozyten (Knorpelzellen), Osteozyten (Knochenzellen), Neuronen und Myozyten (Muskelzellen), verwandeln. Dies macht sie zu den wertvollsten Kandidaten für den Einsatz in der regenerativen Medizin, da sie in Labors gezüchtet werden können, um fast jede Zelle zu produzieren, die für die Gewebereparatur benötigt wird. Darüber hinaus wachsen MCS hervorragend auf Nanofasern, produzieren eine reichhaltige extrazelluläre Matrix und mineralisieren gut.

 

Tipp: Am häufigsten werden Verbundwerkstoffe auf der Basis von Kollagen- oder Gelatine‑Nanofasern verwendet, da sie eine ausreichende Porosität und Morphologie für den Transport von Zellen, Nährstoffen, Signalmolekülen, Gasen und Stoffwechselprodukten aufweisen müssen.

 

Potenzial von Nanofasern in der Knorpelarchitektur

Die Knorpelgewebe ist aufgrund der geringeren Verfügbarkeit von Chondrozyten nur begrenzt reparabel. Der Chondrozyt ist die Basiszelle des Knorpels und sein Energiepotenzial ist leider sehr begrenzt. Der größte Teil der Energie für die Proteinproduktion stammt aus der anaeroben Atmung, da der Knorpel nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, d. h. er wird überhaupt nicht durchblutet. Die ganze Situation wird durch das völlige Fehlen von Vorläuferzellen in der Nähe der Verletzung kompliziert. Es handelt sich um die grundlegenden Zelllinien, aus denen sich spezialisierte Chondrozyten entwickelt würden. Der Knorpel enthält weder Blutgefäße noch Nerven, und seine Ernährung erfolgt über die Gelenkflüssigkeit. Allerdings schränkt diese Art der Ernährung die Regenerationsfähigkeit des Knorpels erheblich ein – Schäden heilen nur langsam und vor allem bei größeren Defekten erholt sich der Knorpel nicht mehr vollständig. Daher ist eine der grundlegenden Methoden zur Wiederherstellung von Knorpelgewebe die Schaffung eines 3D‑Nanofaserträgers in Kombination mit Chondrozyten und Vorläuferzellen, um ein angemessenes Wachstum des Gewebes und die Schaffung eines vollständigen Bindegewebsersatzes zu gewährleisten.

 

Tipp: Das Ziel des Zellträgers ist es, sich nach der Implantation parallel zur Bildung des neuen gesunden Gewebes abzubauen, das im Laufe der Zeit dieses nanofaserige 3D‑Implantat vollständig ersetzen wird.

 

Potenzial von Nanofasern in der Hautarchitektur

Hautwunden heilen normalerweise mit Narbe, d. h. mit Bindegewebe, dem die Elastizität fehlt. Das Narbengewebe schränkt die Bewegung des Gewebes ein, verursacht häufig Schmerzen und ist ästhetisch unerwünscht. Die Nanofasern des Trägers ermöglichen es, ein „Hauttransplantat“ zu züchten und auf die Wunde zu implantieren, die vollständig und ohne Narbenbildung heilt.

 

Tipp: Es wird nicht gewebtes Seidenfibroin verwendet, eine Nanofaser, die durch das bekannte elektrostatische Spinnverfahren hergestellt wird. Aufgrund der hohen Porosität nach der Beschichtung mit Kollagen des Typs I wurde festgestellt, dass es die Adhäsion von Fibroblasten und das Wachstum von „neuer Haut“ am besten unterstützt.

 

Zitierte Quellen

  1. Liu, H., Ding, X., Zhou, G., Li, P., Wei, X., & Fan, Y. (2013). Electrospinning of nanofibers for tissue engineering applications. Journal of Nanomaterials.
  2. Vasita, R., & Katti, D. S. (2006). Nanofibers and their applications in tissue engineering. International Journal of nanomedicine, 1(1), 15.
  3. Nemati, S., Kim, S. J., Shin, Y. M., & Shin, H. (2019). Current progress in application of polymeric nanofibers to tissue engineering. Nano convergence, 6(1), 1‑16.
  4. Dahlin, R. L., Kasper, F. K., & Mikos, A. G. (2011). Polymeric nanofibers in tissue engineering. Tissue Engineering Part B: Reviews, 17(5), 349‑364.
  5. Ma, Z., Kotaki, M., Inai, R., & Ramakrishna, S. (2005). Potential of nanofiber matrix as tissue‑engineering scaffolds. Tissue engineering, 11(1‑2), 101‑109.
  6. Biomedical Nanotechnology. (2017). Nanotechnology in Tissue Engineering. P. Gopinath. YouTube video. [6.12.2021]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=4S1aqJnVaQE&t=1403s.
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